Anglizismen sind in der deutschen Sprache allgegenwärtig. Rund ein Drittel aller Wortneuschöpfungen stammt aus dem englischen Sprachraum. Aber wie sieht es umgekehrt mit deutschen Begriffen in anderen Sprachen aus? Wann und warum werden deutsche Wörter zu Exportschlagern? Wir haben uns das einmal näher angeschaut und zeigen ganz ohne sprachwissenschaftlichen Anspruch, dass Sprachen lebendige Organismen sind, die wachsen und sich verändern.

Germanismus – was ist das eigentlich?

Germanismen, Anglizismen, Gallizismen – unter diesen „-ismen“ versteht man Phänomene einer Sprache, die Eingang in eine andere Sprache finden (sie gehen von der sogenannten Geber- in die Nehmersprache über). Dies geschieht meist auf der Ebene von Lehnwörtern, also Begriffen, die aus einer anderen Sprache „entlehnt“ werden, wie etwa das französische Wort „Rendezvous“ im Deutschen oder das deutsche Wort „Katzenjammer“ im Norwegischen.

Sprachwanderungen und -beeinflussungen können aber auch jenseits der rein begrifflichen Ebene erfolgen, unter anderem auf der Syntax- bzw. Satzebene (zum Beispiel „Sinn machen“ aus dem englischen „to make sense“ statt „Sinn ergeben“; „in 2022“ statt einfach nur „2022“) oder auf der semantischen bzw. Bedeutungsebene (zum Beispiel wird das deutsche Wort „realisieren“ im Sinne von „etwas bemerken“ um die Bedeutung des englischen Wortes erweitert: etwas verwirklichen).

Bei einem Germanismus handelt es sich also um ein Element der deutschen Sprache, das in einer anderen Kultur übernommen wird. Die Liste dieser Auswanderer ist überraschend lang – weltweit schätzt man die Zahl auf etwa 10.000.

Deutsche Weltenbummler

Wörter machen sich natürlich nicht „einfach so“ allein auf den Weg. Sie hängen sich an Konzepte, Erfindungen und Erfahrungen – nicht zuletzt aber auch an die Menschen, die sich in einem fremden Land niederlassen, wie man sehr gut etwa an den jiddischen Einflüssen auf die deutsche Sprache beobachten kann. Manche Begriffe werden direkt aus der Gebersprache übernommen, andere wiederum gelangen über Umwege in die Nehmersprache. Je länger ein Wort aus einem anderen Sprachraum in einer fremden Sprache verankert ist, desto weniger wird es noch als fremdartig wahrgenommen. Im Deutschen sind Wörter wie „Abonnement“ oder „Make-up“ längst Standard, und auch, wenn wir den Laptop zuklappen, uns einen Smoothie gönnen oder ins Meeting sprinten, dürfte sich niemand mehr großartig wundern.

Viele deutsche Lehnwörter stammen aus Bereichen, in denen Deutschland prägend war oder ist. In der Regel werden die Wörter dabei an die Orthografie und das Alphabet der Zielsprache angepasst. Hierbei kann es auch zu Buchstabenwandlungen kommen, wie etwa beim „ș“ (anstelle von „sch“) im Rumänischen. In ostasiatischen Sprachräumen wiederum werden die Ausdrücke durch phonetische Übertragungen für das jeweiligen Schriftzeichen- bzw. Silbensystem „passend“ gemacht. Ein paar Highlights haben wir einmal nach Gebieten zusammengestellt:

1. Philosophie und Kunst

  • weltschmerz (EN, IT, ES, DA u. a.), weltszmerc (PL)
  • wanderlust (EN, FR, ES u. a.)
  • weltanschauung (FR, PT, ES, IT, EN)
  • kitsch (FI, FR, NL, PT, RO), kicz (PL), kič (SL)
  • zeitgeist (FR, PL, BR-PT, ES, EN), ツァイトガイスト (tsaitogaisuto, JA)
  • leitmotiv (ES), lajtmotiv (SQ), лайтмотив (lajtmotiw, BG), leitmotif (FR, EN), 라이트모티브 (rait’ŭmot’ibŭ, KO), лейтмотив (leitmotiw, RU)

2. Technik

  • bremsstrahlung (EN, PT)
  • passivhaus (EN)
  • schiebedach (BU)
  • bormashin (SQ)
  • kuulalaakeri (FI für „Kugellager“)

3. Küche/Gastronomie

  • bratwurst (EN, FI, SV)
  • schnitzel (EN), sznycel (PL), șniţel (RO)
  • cremșnit (RO), kremšnita (SL)
Besonders beliebt: prägnante Wortschlangen

Deutsche Lehnwörter haben oft eines gemeinsam: Es sind häufig Komposita aus zwei oder drei Bestandteilen. Grund: Kaum eine andere Sprache schafft es so wie das Deutsche, komplexe Sachverhalte durch geschicktes Aneinanderreihen in einen einzigen Begriff zu packen, der dann gern übernommen wird. Wie zum Beispiel das „Fingerspitzengefühl“, ein Wort, das Eingang ins Niederländische gefunden hat, oder der bereits erwähnte „Katzenjammer“, der nicht nur im Norwegischen, sondern auch als „kacenjamer“ im Polnischen auftaucht. Und der Begriff „Energiewende“ für den Transformationsprozess in Deutschland ist ebenfalls auf einem guten Weg, fester Bestandteil eines fremden Fachvokabulars zu werden, da in ihm ein ganzes Konzept enthalten ist, das mehr aussagt als einfach nur „energy transition“.

Stößt man als Deutsche:r also in einem fremden Land auf vertraute Klänge, ist davon auszugehen, dass der deutsche Begriff etwas abbildet, das vorher noch nicht da war – wenn zum Beispiel eine aus Deutschland stammende Technologie übernommen wurde oder die eigene Sprache für einen Sachverhalt kein (gutes) adäquates Wort hat. Oder weil das Konzept so „typisch deutsch“ anmutet, dass es sich richtig anfühlt, es mit seinem angestammten Wort zu bezeichnen. Welche Begriffe das sind, lässt manchmal tief blicken: Offensichtlich schreibt man den Deutschen zwar einerseits einen gewissen Hang zur „Besserwisserei“ zu (in den skandinavischen Ländern), lenkt aber gleichzeitig ein, dass uns in Sachen „Gemütlichkeit“ (USA, FR) keiner das Wasser reichen kann.

Vorsicht vor falschen Freunden!

Nicht immer aber bleibt die ursprüngliche Bedeutung eines Begriffs erhalten. Wer lange im Ausland lebt, verändert seinen Blick auf das Land, aus dem er stammt. Wörtern ergeht es ähnlich. Während viele von ihnen die Erinnerung treu konservieren und auch in der neuen Umgebung die gleiche Definition behalten wie in ihrem ehemaligen Zuhause, machen andere einen tiefgreifenden Wandel durch, nehmen zusätzliche Bedeutungen an oder erfinden sich völlig neu. Das „Butterbrot“ zum Beispiel begnügt sich im Russischen längst nicht mehr mit dem einfachen Aufstrich, sondern bezeichnet ein reich belegtes Brot, übrigens meist ohne Butter darunter. Und wer in Slowenien, Ungarn oder Dänemark zum Frisör geht, sollte möglichst nicht das Wort „Bundesliga“ bzw. „Bundesliga-hår“ in den Mund nehmen, sonst bekommt man nämlich eine Vokuhila-Frisur verpasst.

German Wanderlust in Zahlen
  • Deutsch wird von ca. 100 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen und von weiteren 80 Millionen als Zweit- oder Fremdsprache.
  • Es gibt mehr als fünf Millionen Wörter, Tendenz steigend; laut Dudenkorpus sind es über 18 Millionen (Frühjahr 2020).
  • Von diesen Wörtern haben etwa 10.000 den Sprung in andere Sprachen auf der ganzen Welt geschafft.

Die lustigsten Auswanderer – unsere Top 5

  1. gulaschbaron – neureich, jemand, der sich mit dunklen Geschäften (z. B. Lebensmittel in Krisenzeiten) bereichert (SV)
  2. kaffeeklatsch, kaffeeklatch, coffee klatsch (US-EN)
  3. platfus – Plattfuß (PL)
  4. gefundenes fressen (SV)
  5. anzug (Bulgarien; wird dort aber für „Trainingsanzug“ verwendet. Also Vorsicht bei festlichen Anlässen!)

Die schönsten Auswanderer – unsere Top 5

  1. liktìs (Litauen; wird dort für „Kerze“ verwendet)
  2. kuranke クランケ (Japan; da viele japanische Mediziner ursprünglich aus Deutschland kamen, haben viele Begriffe aus diesem Bereich deutsche Wurzeln. Zum Beispiel auch „Kranker“)
  3. gesamtkunstwerk (wird im US-amerikanischen Webster definiert als: „an art work produced by a synthesis of various art forms (such as music and drama)“)
  4. kaercheriser (Frankreich; vom Hersteller/Produkt „Kärcher“ abgeleitet)
  5. gesundheit! (USA; wird wie bei uns als Ausruf nach Niesen verwendet)

Wenn uns die Wortwanderungen eines lehren, dann das: Sprachen sind lebendige Organismen – sie wachsen und verändern sich im Lauf der Zeit, zusammen mit der Welt, die sie abbilden. Sollten Sie mal Bedarf an einer Sprachberatung haben, dann  nehmen Sie einfach Kontakt mit uns auf.