Aufgebrachte Bauern und Bäuerinnen und das dröhnende Rattern von Traktoren prägen momentan das Bild der Landwirtschaft. Inmitten des Lärms der aktuellen Bauernproteste wenden wir uns den feineren, poetischeren Klängen der Feldarbeit zu und erkunden die sprachliche Eleganz der Landwirtschaft. Bauernregeln, faszinierende Redewendungen und bäuerliche Metaphern sind nicht nur seit Menschengedenken tief in der ländlichen Tradition verwurzelt, sondern bereichern bis heute unseren Wortschatz – auch jenseits von Scheunentoren und Ackerbau.  

Mehr als bloß Weisheiten vom Feld: Bauernregeln

Bauernweisheiten sind so etwas wie die Omas der Landwirtschaft: weise, manchmal skurril und immer voller zeitloser Lebensklugheit. Allerdings nicht immer glaubwürdig. „Das Jahr fruchtbar sei, wenn’s viel donnert im Mai“ klingt nicht nur nach meteorologischer Weisheit, sondern zeigt uns, dass die Natur ihre eigenen Pläne mit uns hat. Oder wie wäre es mit „Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheune und Fass“? Klingt doch nach dem Prognosebericht im Annual Report der Natur, oder? Wie eine echte Oma können Bauernregeln aber auch regelrechte Gruselgeschichten erzählen: „Wenn Spinnen in die Häuser kriechen, sie einen kalten Winter riechen“ oder „Ist die Hexennacht voll Regen, wird’s ein Jahr mit reichlich Segen“ könnten durchaus Beschwörungsformeln aus einem magischen Buch à la Harry Potter oder Herr der Ringe sein.

Ob solche Weisheiten in Zeiten moderner Technik noch anwendbar sind oder nicht, ist völlig egal: Bauernregeln sind ein kostbares sprachliches Erbe voller Lebensklugheit und erinnern uns in ihrer Kürze und Prägnanz daran, die Natur wieder mit offenen Augen zu betrachten – selbst dann, wenn uns dabei die eine oder andere Spinne über den Weg krabbelt. In diesem Sinne: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder bleibt, wie’s ist.“

Wenn der Acker zum Fußballrasen wird: die Philosophie der Landarbeit

Auf dem Acker wird nicht nur gesät und geerntet, sondern auch gerne philosophiert. Aussagen wie „Saat ist Saat“ oder „Das Land ist ewig“ sind das landwirtschaftliche Gegenstück zu sportlichen Weisheiten wie „Der Ball ist rund“ und „Ein Spiel hat 90 Minuten“. Und wenn der englische Nationalspieler Gary Lineker einmal sagte, Fußball sei ein Spiel von 22 Leuten, bei dem am Ende immer die Deutschen gewinnen, würde das in Agrarsprache übersetzt heißen: „Die dümmsten Bauern haben immer die dicksten Kartoffeln.“

Aber die vermeintliche Trivialität solcher Aussagen ist in Wirklichkeit nur oberflächlich: Wer etwa „Man sät, was man erntet“ als eine platte Binsenweisheit abtut, übersieht, dass sich darin tiefstes Menschenwissen verbirgt: Du erntest, was du säst. Du bist, was du isst. Du bist der Herr über deine Aktionen, und so, wie du handelst, kommt es früher oder später unweigerlich zu dir zurück. Die Natur wird zum Spiegel des Lebens und der Kreislauf des Aussäens und Erntens zu einem Spiegel unseres Handelns. Und die Sprichwörter sind die poetischen Pflänzchen, die darauf wachsen. Sie wollen gehegt und gepflegt sein. In dieser feinsinnigen Landschaft der philosophischen Gedanken wird der Acker zur Bühne für die Ernte von Lebensweisheiten, auf der wir anstelle von Kartoffeln die Früchte unserer Entscheidungen ernten.

Wenn sich Phrasendrescher ins Zeug legen: bäuerliche Redewendungen

Unsere Sprache gleicht einem gut bestellten Getreidefeld, in dem zahlreiche Redewendungen so tief wurzeln, dass wir uns ihres Ursprungs gar nicht mehr bewusst sind. Wenn wir nach einem beruflichen oder persönlichen Einsatz die Ernte einfahren, mögen wir ja vielleicht noch an sonnige Felder und reife Früchte denken. Aber diejenigen, die sich ins Zeug legen und einen guten Schnitt machen, dürften sich wahrscheinlich gar nicht mehr im Klaren darüber sein, dass sie Sprachfrüchte des Ackers verwenden. Und wer Phrasen drischt, bedient keine Dreschmaschine, sondern wirft mit leeren Worthülsen um sich. Wohl dem, der hier noch die Spreu vom Weizen trennen kann.

Bäuerliche Redewendungen sind wie Samen, die in unserer Sprache auf fruchtbaren Boden gefallen und aufgegangen sind und sie mit einer Vielzahl von Bildern und Stimmungen bereichert haben. Die über die Felder hinauswachsen und in unseren Gesprächen blühen. Wer in der Lage ist, solche Redewendungen zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen, und das kleine Stückchen Ackerland erkennt, das sich hinter so mancher Phrase verbirgt, wird reich belohnt werden mit einem Einblick in die (möglicherweise vergangene) Sphäre bäuerlicher Landarbeit.

Vom Pflug in den Konferenzraum: Landwirtschaft in der Geschäftswelt

Metaphern des Agrarlebens haben nicht nur auf dem Feld ihre Wurzeln geschlagen, sondern längst auch die Sphären der modernen Geschäftswelt erobert. Der Dreck der Erde ist dabei dem Geruch von Kaffee und Druckertoner gewichen. Wenn Personaler:innen heutzutage fordern, dass es neben den ganzen IT‑Expert:innen und Hightech‑Spezialist:innen künftig auch noch Leute geben muss, die bereit sind, sich bei der Arbeit die Hände schmutzig zu machen, sehen wir vor unserem inneren Auge die Büroangestellten mit Krawatte und Aktentasche in Overall und Gummistiefeln durch Bürogänge schlurfen und nach einer symbolischen Mistgabel greifen.

Und wenn wir überlegen, wie wir in Deutschland den Boden besser für Innovationen vorbereiten und mehr Schöpferkraft fördern können, klingt das wie die Ackerfräse der Kreativität, die den Boden lockert, damit die Ideen wachsen können. Hier wird das Feld zur Ideenschmiede, die Spitzhacke zum Mauszeiger, der Pflug zur PowerPoint-Präsentation und der Heuschuppen zum Trello-Board.

Alle diese Metaphern der Landwirtschaft zeigen uns, dass der Ackerbau längst nicht mehr nur auf dem Land stattfindet, sondern auch an unseren Schreibtischen, in unseren Köpfen. Das Ziel ist dabei immer dasselbe, nämlich am Ende die Früchte unserer Arbeit ernten zu können. Das alles beweist uns nur eines: Heutzutage sind wir alle Bauern und Bäuerinnen.


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