Mit der DIN 8581-1 ist im April 2024 erstmals eine Norm erschienen, die konkrete Richtlinien zur Einfachen Sprache im Deutschen vorgibt. Einfache Sprache spielt eine wesentliche Rolle dabei, Menschen mit eingeschränkter Lesekompetenz mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen – ebenso wie die Leichte Sprache. Doch was genau unterscheidet Einfache von Leichter Sprache? Und wie tragen diese beiden Sprachkonzepte dazu bei, die Inklusion in unserer Gesellschaft voranzutreiben? Hier ein kompakter Einstieg.

Leichte und Einfache Sprache – wo liegt der Unterschied?

Die meisten Menschen, die sich mit Kommunikation beschäftigen, haben in der Regel schon einmal von Einfacher und Leichter Sprache gehört. Aber nicht allen ist bekannt, dass es sich dabei um zwei verschiedene Konzepte handelt. Beide Begriffe werden oft synonym verwendet. Zwar verfolgen beide Ansätze die gleichen Ziele – die Leserschaft in den Mittelpunkt stellen, sprachliche Barrieren abbauen und eine inklusive Gesellschaft schaffen –, allerdings gibt es Unterschiede bei den Zielgruppen und entsprechend auch in der Ausprägung.

1. Leichte Sprache

Leichte Sprache ist eine vereinfachte, speziell geregelte Form der Kommunikation, die dazu dient, Textinformationen für Menschen mit geistiger Behinderung und anderen Einschränkungen wie Demenz leichter verständlich zu machen. Die Schwierigkeit besteht darin, komplexe Themen nach didaktischen Gesichtspunkten einfach darzustellen. Leichte Sprache basiert auf festen sprachlichen Prinzipien wie der ausschließlichen Verwendung klarer, kurzer Sätze und einfacher Wörter. Das Vorgehen weicht dabei teilweise erheblich von der deutschen Standardsprache ab, etwa bei der Aufteilung von zusammengesetzten Wörtern mittels Bindestrichen („Wörter-Buch“, „Bundes-Tag“).

Darüber hinaus sind auch formale Aspekte wie eine einfache Typografie, gut lesbare Schriftfonts oder ein unterstützender Einsatz von Bildern Ausdruck von Leichter Sprache. Bei der Erstellung von Texten in Leichter Sprache geht es aber nicht einfach nur darum, andere Wörter und Bilder zu benutzen oder kürzere Sätze zu verwenden. Und schon gar nicht ist sie mit „Kindersprache“ gleichzusetzen. Letztlich handelt es sich bei Leichter Sprache um die fachlich und didaktisch anspruchsvolle Aufgabe, eine Essenz komplexer Zusammenhänge zu erstellen und diese barrierefrei zugänglich zu machen. Hier ein Beispiel anhand des Diversity-Tages:

Am Diversity-Tag gibt es viele Aktionen in ganz Deutschland.
Zum Beispiel von Firmen.
Oder von Vereinen.
Diese Aktionen sind alle zum Thema Vielfalt.
Und diese Aktionen sollen zeigen:
Menschen sind sehr unterschiedlich.
Und das ist sehr gut so.
Sie haben zum Beispiel unterschiedliche Geschlechter.
Haut-farben.
Oder Religionen.
Oder einige Menschen haben eine Behinderung.
(Quelle: NDR)

Als Regelwerke für Leichte Sprache dienen die Richtlinien von Interessenverbänden und Organisationen, darunter die Deutsche Gesellschaft für Leichte Sprache, oder die vom Netzwerk Leichte Sprache zusammengestellten Materialien.

Laut Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sind öffentliche Einrichtungen angewiesen, ihre Informationen vermehrt auch in Leichter Sprache anzubieten. Damit werden Übersetzungen in Leichte Sprache, etwa von Informationsseiten oder Nachrichten, immer relevanter. In einer demokratischen Gesellschaft sind sie wichtiger Ausdruck von Inklusion und Teilhabe.

2. Einfache Sprache

Anders als Leichte Sprache ist die Einfache Sprache eine vereinfachte Form der Standardsprache. Zielgruppe sind vorrangig Menschen mit schwacher Lesekompetenz oder mit Deutsch als Zweitsprache. Durch die Aufbereitung von Texten für Menschen mit einem geringeren Leseniveau verhilft Einfache Sprache größeren Bevölkerungsteilen – und nicht nur solchen mit kognitiven Einschränkungen – zu einem besseren Zugang zu Informationen. Im weiteren Sinne kann Einfache Sprache aber in vielen Kontexten für alle Menschen sinnvoll sein, etwa bei der Vereinfachung von „Amtsdeutsch“.

Für die Erstellung von Texten in Einfacher Sprache gab es bis vor Kurzem kein Regelwerk. Mit der neu erschienenen DIN 8581-1, die sich auf die deutsche Sprache bezieht, hat sich das nun geändert. Ebenso wie die Leichte Sprache soll auch sie ohne komplexe Grammatik, Fremdwörter oder Fachausdrücke auskommen und nur kurze Sätze umfassen. Insgesamt sind die didaktischen Anforderungen und die sprachlichen Reduzierungen bei Einfacher Sprache aber deutlich weniger ausgeprägt als bei Leichter Sprache.

Da die jeweiligen Zielgruppen von Einfacher und Leichter Sprache durchaus heterogen und teilweise schwer abgrenzbar sind, ist die Unterscheidung der Konzepte in ihrer Definition und Nutzung nicht immer eindeutig. Gleiches gilt für die tatsächlich verwendeten Regeln. Eine klare Trennung dieser Sprachformen ermöglicht es jedoch, gezielter auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen einzugehen und somit die Teilhabe aller Menschen zu fördern.

Diskussion ums Gendern

Natürlich kommen beide Sprachkonzepte auch an der Diskussion um das Gendern nicht vorbei. Aktuelle Position: Wenn für eine bestimmte Personengruppe weder ein neutraler Begriff („Team“) noch Partizipien („Mitarbeitende“) benutzt werden können, wird üblicherweise die Doppelnennung verwendet („Patientinnen und Patienten“). Sonderzeichen wie Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt sollen insbesondere in der Leichten Sprache im Hinblick auf Barrierefreiheit und Lesbarkeit vermieden werden, auch wenn dadurch bestimmte Personengruppen ausgeschlossen werden – eine Empfehlung, wie sie auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband DBSV ausspricht. Ebenso wie in der Standardsprache hat sich auch im Bereich der Einfachen und Leichten Sprache bislang keine endgültige Linie durchsetzen können.

Die neuen Normen für Einfache Sprache

Die wachsende Bedeutung der Einfachen Sprache zeigt sich auch auf Ebene der Normung. Sowohl national als auch international hat sich zuletzt allerhand getan: Im Juni 2023 hat die Internationale Organisation für Normung (ISO) mit der ISO 24495-1 einen ersten Standard für Einfache Sprache („plain language“) veröffentlicht und damit die Bedeutung klarer und verständlicher Kommunikation für alle hervorgehoben.

Die deutsche Übersetzung erschien im März 2024 (DIN ISO 24495-1 „Einfache Sprache – Teil 1: Grundsätze und Leitlinien“). Sie legt Grundsätze fest und vermittelt ein klares Bild davon, was Einfache Sprache ausmacht, wo sie notwendig ist und wie man sie umsetzen kann. Langfristig sind Erweiterungen um juristische Kommunikation und um wissenschaftliche Texte geplant.

Als internationale Norm bleibt die ISO 24495-1 jedoch naturgemäß sprachunabhängig. Im April 2024 wurde daher nun die DIN 8581-1 veröffentlicht, die die allgemeinen Richtlinien der ISO 24495-1 für die deutsche Sprache spezifiziert. Ihr vollständiger Titel lautet „Einfache Sprache – Anwendung für das Deutsche – Teil 1: Sprachspezifische Festlegungen“ und sie zielt darauf ab, mit konkreten Vorgaben Autor:innen bei der Erstellung von deutschsprachigen Sachtexten in Einfacher Sprache zu unterstützen. In dieser Hinsicht ist die DIN 8581-1 deutlich praxisnäher als die ISO.

Neben grundsätzlichen Aspekten enthält die DIN 8581-1 konkrete Vorgaben, unterteilt nach Textebene, Satzebene, Wortebene und Gestaltung. Damit existiert nun erstmals ein verbindliches Regelwerk, das geeignet scheint, die Qualität von Texten in Einfacher Sprache vergleichbarer zu machen.

Zu beachten ist allerdings der ausdrückliche Hinweis der DIN, dass die Zielgruppe nicht Leser:innen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind. Prinzipien und Regeln für Leichte Sprache sind also nicht Bestandteil dieser Norm.

Fazit: Barriereabbau fördert Chancengleichheit

Egal ob Leichte oder Einfache Sprache: Vereinfachte Sprachkonzepte sind ein Gamechanger für Menschen mit verminderter Lesekompetenz oder gar kognitiven Beeinträchtigungen, denn sie fördern Teilhabe und Chancengleichheit. Sie bauen Hürden ab, wenn es um das Erfassen von Nachrichten, offiziellen Dokumenten oder anderen Informationen bis hin zu Straßenschildern geht. Wenn Menschen mit eingeschränkter Lesefähigkeit Informationen besser verstehen und nutzen, werden sie unabhängiger und selbstbestimmter.

Die Entwicklung von Standards für Einfache Sprache könnte eine bessere Verständlichkeit beschleunigen und einer breiteren Bevölkerungsschicht Zugang zu Informationen verschaffen. Besonders in Bereichen wie Gesundheit, Recht oder amtliche Kommunikation gibt es großes Potenzial für den Abbau von Barrieren – übrigens nicht nur für Personen mit Leseschwierigkeiten. Denn seien wir mal ehrlich: Wären wir nicht alle dankbar, wenn sich das Finanzamt etwas einfacher ausdrücken würde? 🙂


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