Ist Ukrainisch eigentlich eine eigene Sprache oder lediglich ein russischer Dialekt? Welche Bedeutung hat es, wenn der ukrainische Präsident Selenskyj in seinen jüngsten Ansprachen zwischen Ukrainisch und Russisch wechselt? Und was ist bei Übersetzungen zu beachten, wenn der ukrainische Markt angesprochen werden soll? Das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine ist auch auf dem Gebiet der Sprache seit jeher hochpolitisch und nicht erst seit dem aktuellen Angriffskrieg spannungsgeladen. Wir wollen dieses Verhältnis zum Russischen einmal näher beleuchten und klarstellen, dass die Ukraine – genauso wie als Staat – sprachlich eigenständig ist.
Sind Ukrainisch und Russisch dieselbe Sprache?
Ganz klar: nein. Anders, als viele denken, ist Ukrainisch weder eine regionale Variante noch ein russischer Dialekt. Es handelt sich um zwei eigenständige, gleichberechtigte Sprachen. Da beide aber zur ostslawischen Sprachgruppe zählen (eine dritte ostslawische Sprache ist das Belarussische), weisen sie naturgemäß große Gemeinsamkeiten auf. Es gibt allerdings auch signifikante Unterschiede. Sprachwissenschaftlich ist das Verhältnis der beiden Sprachen zueinander ungefähr so wie zwischen Deutsch und Niederländisch, die beide zur Untergruppe der westgermanischen Sprachen gehören. Ukrainisch ist seit 1991 in der Ukraine die alleinige Amtssprache.
Wie ist die aktuelle Sprachensituation in der Ukraine?
Die Sprachensituation in der Ukraine ist komplex und ein politisch aufgeladenes Thema: Der Konflikt zwischen Ukrainisch und Russisch spiegelt seit jeher auch das Ringen um die politische Macht im Land wider. Beides sind bis heute die Hauptsprachen in der Ukraine und beide galten bis zum Zerfall der Sowjetunion offiziell als Amtssprachen, wobei Russisch als Sprache des Moskauer Machtzentrums das öffentliche Leben und die Medien dominierte und das Ukrainische über viele Jahrzehnte, gerade in der Frühzeit der Sowjetunion, unterdrückt wurde. Daher war und ist Russisch in Teilen der ukrainischen Bevölkerung negativ konnotiert. Nach der Unabhängigkeit 1991 wurde Russisch als Amtssprache abgeschafft. Dennoch ist es in der Ukraine nach wie vor weit verbreitet, nicht zuletzt wegen des hohen Anteils der russischen Bevölkerung an der ukrainischen Gesamtbevölkerung. Seit Russland nach der Krim-Annexion 2014 in der Ukraine mehrheitlich als Aggressorstaat betrachtet wird, ist das Ansehen des Russischen weiter deutlich zurückgegangen – und wird nach der russischen Invasion sicher noch weiter sinken.
Welche Sprache ist in der Ukraine am weitesten verbreitet?
Die Mehrheit der Ukrainer:innen gilt als zweisprachig, beherrscht also Ukrainisch und Russisch. Auf das gesamte Land bezogen geben heute rund 68 % der Ukrainer:innen Ukrainisch als Muttersprache an, wobei allerdings der Anteil je nach Region und abhängig von der dort jeweils dominierenden Ethnie variiert: In den west- und zentralukrainischen Regionen sind es bis zu 95 %, während im Osten der Anteil an russischen Muttersprachler:innen überwiegt, insbesondere auf der Krim und in den Regionen Donezk und Luhansk. Zu 80 % erfolgt an Schulen der Unterricht heute auf Ukrainisch. Zu den weiteren Sprachen, die neben Ukrainisch und Russisch auf dem Gebiet der Ukraine gesprochen werden, gehören auch Rumänisch, Belarussisch und Polnisch, sie sind aber gemessen an der Gesamtbevölkerung eher bedeutungslos.
Sprechen Ukrainer:innen automatisch auch Russisch?
Nein. Auch wenn die Mehrheit der Ukrainer:innen auch Russisch beherrscht, bedeutet das nicht, dass man zusätzlich zu seiner ukrainischen Muttersprache automatisch auch die andere Sprache sprechen kann. Dazu sind die Unterschiede dann doch zu groß. Ebenso leben auf ukrainischem Boden, vor allem im Osten und Südosten, viele Angehörige der russischen Nationalität, die ihrerseits das Ukrainische nicht beherrschen. Und dort existiert sogar ein nicht geringer Anteil an Ukrainer:innen, deren Muttersprache Russisch ist. Um es also noch einmal ganz klar zu sagen: Ukrainisch ist kein russischer Dialekt.
Wird Ukrainisch mit kyrillischen oder lateinischen Buchstaben geschrieben?
Wie das Russische verwendet auch die ukrainische Sprache das kyrillische Alphabet. Vermutlich nicht zuletzt deswegen werfen viele Mittel- und Westeuropäer beides gern in einen Topf. Sowohl das Ukrainische als auch das Russische hat jeweils 33 Buchstaben, allerdings gibt es dabei Abweichungen: Das Ukrainische verwendet Buchstaben, die es im russischen Alphabet nicht gibt, und umgekehrt.
Welche Unterschiede gibt es zwischen Ukrainisch und Russisch?
Gegenfrage: Welche Unterschiede gibt es zwischen, sagen wir, Norwegisch und Schwedisch oder Dänisch? Wie diese sind auch das Russische und das Ukrainische verwandte Sprachen, aber eben nur verwandte. Sie verwenden das gleiche Alphabet, aber mit Abweichungen. Die Lautbildung ist ähnlich, aber nicht identisch, es gibt markante Lautverschiebungen. Und auch in der Grammatik, beim Satzbau und bei den Zeitformen gibt es deutliche Unterschiede. Was überraschen mag: Der ukrainische Wortschatz stimmt nur zu gut 60 % mit dem russischen überein. Wesentlich größer ist hier seine Nähe zum belarussischen und sogar polnischen Vokabular.
Wie viele Menschen insgesamt sprechen Ukrainisch?
Ukrainisch ist nach Russisch und Polnisch die slawische Sprache mit der dritthöchsten Sprecherzahl. Es gibt rund 32 Millionen Menschen, die Ukrainisch als Muttersprache sprechen. Die meisten davon leben auf dem Gebiet der Ukraine. Zum Vergleich: Russisch wird von rund 150 Millionen Menschen muttersprachlich gesprochen, also von knapp fünfmal so vielen.
Von der Schönheit der russischen Sprache haben wir ja bereits in einem früheren Blogbeitrag geschwärmt. Aber spätestens seit dem russischen Angriffskrieg ist es für Unternehmen immer wichtiger geworden, zwischen beiden Sprachen klar zu unterscheiden. Falls du Unterstützung bei deinem ukrainischen Sprachauftritt benötigst, nimm einfach Kontakt mit uns auf.